Der Kampf um die neue Weltordnung

4.September 2018

Russische Einmischung in die US-Politik ist durchaus erwünscht.

von Diana Johnstone

Der Einfluss Russlands auf die US-Politik erscheint als eines der vorherrschenden Themen in den westlichen Medien. Gerne wird dabei Präsident Putin mit seiner Troll-Armee als Schurke beklagt. Wie Diana Johnstone in ihrer ausführlichen Analyse aufzeigt, ist die wahre Sachlage jedoch wesentlich komplexer. Nicht länger stehen in diesem fortwährenden „Kalten Krieg“ Kommunisten gegen Kapitalisten, sondern die nach einer unipolaren, „demokratischen“ Welt strebenden USA und ihre Verbündeten gegen ein Russland, das sich für eine multipolare Weltordnung einsetzt und allen Staaten ihre jeweilige Souveränität zugesteht. Wie an den Karrieren des russischen Oligarchen Michail Chodorkowski und des amerikanischen Anwalts Jonathan M. Winer, Beamter des US-Außenministeriums sowie Berater der Lobbyfirma APCO, sichtbar wird, ist russischer – und anderer ausländischer – Einfluss in den USA durchaus willkommen, solange er deren Streben nach Unipolarität vorantreibt.

Der Kalte Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion war offenbar ein Konflikt zwischen zwei Ideologien, zwei sozioökonomischen Systemen.

All das scheint Vergangenheit zu sein. Der Tag eines neuen Sozialismus mag unerwartet anbrechen, doch heute regiert der Kapitalismus die Welt. Die USA und Russland tragen nun einen hemmungslosen Kampf zwischen Kapitalisten aus. Auf den ersten Blick mag dieser wie eine klassische Auseinandersetzung zwischen rivalisierenden Kapitalisten erscheinen.

 

Und doch ist erneut ein ideologischer Konflikt im Entstehen, einer, der die Kapitalisten selbst spaltet, sogar in Russland und in den USA. Es ist der Konflikt zwischen Globalisierungsbefürwortern und Souveränisten, zwischen einer unipolaren und einer multipolaren Welt. Dieser Konflikt wird sich nicht auf die zwei größten Atommächte beschränken.

 

Die Niederlage des Kommunismus wurde auf brutale Weise in einem gewissen „kapitalistischen Manifest“ aus den frühen 1990ern verkündet, in dem es heißt:

„Das Licht, das uns führt, heißt Profit, erworben auf rein legale Art und Weise. Unser Herr ist seine Majestät, das Geld, denn nur Er kann uns zu Reichtum als Lebensmaßstab führen.“

 

Die Autoren dieses gewagten Traktats waren Michail Chodorkowski, der später der reichste Mann Russlands wurde, bevor er zehn Jahre in einem russischen Gefängnis verbrachte, und sein damaliger Geschäftspartner Leonid Newslin, der sich seitdem entspannt nach Israel zurückgezogen hat.

 

„Loans For Shares“: Die Russische Privatisierung

Es waren die guten alten Zeiten in den 1990ern, als die Clinton-Regierung Boris Jelzin unterstützte, während dieser es zuließ, dass Russland durch die vereinten Bemühungen von solchen ehrgeizigen, gut positionierten Russen und ihren westlichen Sponsern abgezockt wurde, insbesondere durch den „Loans-for-shares“-Trick.

In einem Vanity Fair-Artikel von 2012 über ihren Helden Chodorkowski fasst die vehemente Putin-Gegnerin und Journalistin Masha Gessen freiheraus zusammen, wie das funktionierte:

 

„Die neuen Oligarchen – ein Dutzend Männer, die begonnen hatten, die Macht auszuüben, welche Geld ihnen verlieh – schmiedeten einen Plan.Sie würden der Regierung Geld leihen, welches diese dringend benötigte, und im Gegenzug würde die Regierung ihnen Aktienpakete, die auf eine Mehrheitsbeteiligung an den großen staatlichen Unternehmen hinauslaufen, als Kreditsicherheit zur Verfügung stellen. Wenn die Regierung in Verzug geriet – sowohl die Oligarchen wie auch die Regierung wussten, dass dies passieren würde – würden die Oligarchen übernehmen. Durch diesen Trick privatisierte die Jelzin-Regierung Öl, Gas, Mineralien und andere Unternehmen ohne Zustimmung des Parlaments.“

 

Das funktionierte so gut, dass Chodorkowski von seiner Position in der kommunistischen Jugendorganisation aus seine Kontakte nutzte, um die Kontrolle über Russlands Erdölkonzern Yukos zu erlangen und der reichste Oligarch in Russland zu werden.

 

Vom Gesamtwert von 15 Milliarden Dollar kontrolliert er noch immer einen Teil, trotz seiner Jahre im Gefängnis von 2003 bis 2013. In den USA, wo er viele Freunde hatte – darunter jene Geschäftspartner, die ihm halfen, Teile von Yukos an Chevron und Exxon zu verkaufen –, machte seine Verhaftung ihn zu einem Helden der Demokratie.

 

Chodorkowski, ein charmanter und großzügiger junger Mann, überzeugte seine amerikanischen Partner mit Leichtigkeit davon, dass er Russlands Vorkämpfer für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sei, insbesondere für jene Gesetze, die es erlauben, dass inländisches Kapital zu ausländischen Banken flieht und ausländisches Kapital Kontrolle über russische Ressourcen erlangt.

 

Wladimir Putin sah das anders. Ohne den Sozialismus wieder einzuführen, enteignete er Chodorkowski als Yukos-Vorstand und verwandelte die Öl- und Gasindustrie vom Modell der „offenen Gesellschaft“, das von Jelzin toleriert worden war, in eine staatskapitalistische Industrie.

 

Chodorkowski und sein Partner Platon Lebedew wurden beschuldigt, all das Öl gestohlen zu haben, das Yukos in den Jahren 1998 bis 2003 produziert hatte. Sie wurden vor Gericht gestellt, schuldig gesprochen und zu jeweils 14 Jahren Gefängnis verurteilt. Diese Wendung ruinierte die bereits laufenden Pläne der USA, Russland zu „balkanisieren“ und in seine vielen Provinzen aufzuspalten, um westlichem Kapital so die Übernahme der russischen Wirtschaft zu ermöglichen.

 

Die Enteignung Chodorkowskis war sicherlich ein wesentlicher Meilenstein im Konflikt zwischen Präsident Putin und Washington. Am 18. November 2005 verabschiedete der US-Senat einstimmig die von Joe Biden eingeführte Resolution 322, welche die Behandlung von Chodorkowski und Lebedew als politisch motiviert einstufte.

 

Wer beeinflusst wen?

Nun lassen Sie uns einen Blick auf die Geschichte russischer Einflussnahme in den USA werfen. Es ist offensichtlich, dass ein Russe, der den Senat dazu bringen kann, eine Resolution zu seinen Gunsten zu verabschieden, einen gewissen Einfluss hat. Doch wenn der „tiefe Staat“ über russischen Einfluss knurrt, spricht er nicht über Chodorkowski.

 

Er spricht über die scherzhafte Antwort, die Trump während der Präsidentschaftswahlen auf die süffisante Frage eines Reporters gab. In einer Variation des klassischen „Wann haben Sie aufgehört, Ihre Frau zu schlagen?“ fragte der Reporter Trump, ob dieser den russischen Präsidenten Wladimir Putin auffordern würde, sich aus der Wahl „herauszuhalten“. Da eine dumme Frage keine ernsthafte Antwort verdient, sagte Trump, er hätte „mit Putin nichts zu tun“, bevor er hinzufügte: „Falls du zuhörst, Russland, so hoffe ich, dass du die 30.000 verschwundenen E-Mails finden kannst. Ich denke, du wirst dafür von unserer Presse ordentlich belohnt werden.“ Aha! dachten sich Trump-Hasser da. Das ist der Beweis! In der US-Politik ist Ironie beinahe so unwillkommen wie Ehrlichkeit.

 

Als Präsident Trump Anfang des Monats dem ehemaligen CIA-Chef John Brennan die Sicherheitsfreigabe entzog, bekam dieser die Chance, seinem Hass auf den selbstgefälligen Seiten der New York Times Luft zu machen.

 

Jemand, der eigentlich intelligent genug sein sollte, einen Geheimdienst zu leiten, verstand Trumps scherzhafte Einladung tatsächlich als ernstgemeinte Aufforderung. „Durch die Abgabe einer solchen Erklärung“, schrieb Brennan, „hat Mister Trump nicht bloß eine fremde Nation ermutigt, Informationen gegen einen US-Bürger zu sammeln, sondern seine Anhänger auch offen ermächtigt, mit unserem größten globalen Kontrahenten gegen seinen politischen Gegner zu arbeiten.“

 

„Die Russen“, erklärte Brennan, „durchfischen politische, geschäftliche und kulturelle Gewässer auf der Suche nach leichtgläubigen oder prinzipienlosen Individuen, die in den Händen ihrer russischen Puppenspieler fügsam werden.“

 

Welche Russen tun das? Und wer sind diese „Individuen“?

 

„Der oberste Problemlöser“

Um zu verstehen, wie Washington arbeitet, ist nichts lehrreicher als ein genauer Blick auf die Karriere des Anwalts Jonathan M. Winer. Dieser wiederholt stolz, dass Bill Burns, Vorsitzender der Carnegie-Stiftung, ihn Anfang 2017 als „den obersten Problemlöser“ vorstellte. Winer war der Öffentlichkeit lange unbekannt, doch das könnte sich bald ändern.

 

Lassen Sie uns schauen, welche Probleme der Problemlöser gelöst hat.

 

Während der Präsidentschaft von Bill Clinton, ebenfalls ein Yale-Absolvent, fungierte Winer von 1994 bis 1999 als stellvertretender Leiter der Abteilung Internationale Strafverfolgung des US-Außenministeriums. Man kann die Selektivität von Bill Clintons Sorge um die internationale Strafverfolgung in Frage stellen, die sicherlich nicht die Verletzung internationalen Rechts durch die Bombardierung wehrloser Staaten miteinbezog. Jedenfalls wurde Winer 1999 für „nahezu beispiellose Errungenschaften“ ausgezeichnet. Eine dieser Errungenschaften werden wir uns später noch genauer ansehen.

 

Nach dem Ende der Clinton-Amtszeit arbeitete der oberste Problemlöser von 2008 bis 2013 als hochrangiger Berater in einem der weltweit mächtigsten PR- und Lobbyunternehmen, APCO Worldwide. Auf diese Weise dreht sich das Karrierekarussell in Washington: Nachdem man in ein paar Jahren in der Regierung herausgefunden hat, wie die Dinge laufen, wechselt man in einen hochbezahlten „Berater“-Job, um die gewonnenen Insider-Informationen und einflussreichen Kontakte an private Kunden zu verkaufen.

 

APCO kam vor etwa 30 Jahren groß heraus, als das Unternehmen Lobbyarbeit für Philip Morris und die gesamte Tabakindustrie betrieb.

 

2002 rief APCO ein Projekt ins Leben, das sich „Friends of Science“, Freunde der Wissenschaft, nennt, um Skepsis über die schädlichen Auswirkungen des Rauchens zu verbreiten. 1993 beschrieb die Kampagne ihre Ziele und Absichten mit den folgenden Worten: „Ermutigung der Öffentlichkeit – von der Basis ausgehend – die Glaubwürdigkeit wissenschaftlicher Studien in Frage zu stellen.“

 

Während Winer für APCO arbeitete, war eine der Hauptaktivitäten des Unternehmens die Bewerbung der Clinton Global Initiative CGI, eines internationalen Netzwerks zur Förderung der Clinton Foundation. Margery Kraus, Präsidentin und Geschäftsführerin von APCO, erklärte, die Beratungsfirma sei dazu da „anderen CGI-Mitgliedern dabei zu helfen, Interesse für ihre Anliegen zu generieren, ihre Erfolge darzustellen und die weitreichenden Errungenschaften der CGI als Ganzes zu betonen.“ Wenn man in Betracht zieht, dass nur 5 Prozent des Umsatzes der Clinton Foundation in Spenden investiert wurden, brauchten sie jedePR, die sie bekommenkonnten.

 

Bemerkenswert ist, dass Spenden an die Clinton Global Initiative versiegt sind, seit Hillary Clinton die Präsidentschaftswahlen verloren hat. Der Observer schreibt dazu:

 

„Ausländische Regierungen begannen, ihre jährlichen Spenden zu unterlassen, und signalisierten damit, dass die Schlagkraft der Organisation auf dem Zugang der Spender zu den Clintons beruht, nicht auf deren philanthropischen Bemühungen.“

 

Das erklärt auch Hillary Clintons Panik, als sie 2016 die Wahl verlor. Wie um alles in der Welt kann sie ihren Multi-Millionen-Dollar-Spendern je die Gefallen zurückzahlen, die diese erwarteten?

 

Ebenso wie für die Tabakindustrie und die Clinton Foundation arbeitet APCO auch für Chodorkowski. Um genau zu sein, öffentlichen Verzeichnissen zufolge ist der viertgrößte von APCOs vielen Kunden der Corbiere Trust, im Besitz Chodorkowskis und registriert auf der Insel Guernsey.

 

Der Trust verwaltet und verteilt einige der Milliarden, die der Oligarch aus Russland wegschaffen konnte, bevor er verhaftet wurde. Corbiere-Geld wurde eingesetzt für die Lobbyarbeit zur Resolution 322 – zur Unterstützung Chodorkowskis nach seiner Verhaftung in Russland – und zum Magnitsky Act – mehr dazu später. Margery Kraus, Präsidentin und Geschäftsführerin von APCO, ist Mitglied im von Michail Chodorkowskis Sohn Pavel gegründeten Institute of Modern Russia, das sich der „Förderung demokratischer Werte“ verschrieben hat – mit anderen Worten, dem Aufbau einer politischen Opposition zu Wladimir Putin.

 

2009 kam Jonathan Winer zurück zum US-Außenministerium, wo ihm eine Auszeichnung für hervorragende Dienste verliehen wurde, weil er es irgendwie geschafft hatte, tausende gestrandete Mitglieder der iranischen Volksmudschahedin von ihren Stützpunkten im Irak zu retten, von wo aus sie versuchten, die iranische Regierung zu stürzen. Diese Volksmudschahedin, einst vom US-Außenministerium offiziell als terroristische Organisation gelistet, sind zu einem Lieblingswerkzeug bei amerikanischen und israelischen Operationen geworden, die auf einen Regimewechsel im Iran abzielen.

 

Dennoch waren es Winers außerplanmäßige Aktivitäten im Außenministerium, die ihn Anfang dieses Jahres ins öffentliche Rampenlicht gerückt haben – oder vielmehr ins Rampenlicht des Geheimdienstausschusses.

 

Dessen Vorsitzender Devin Nunes, Vertreter Kaliforniens im Repräsentantenhaus, benannte ihn als Teil eines Netzwerks, das das berüchtigte „Steele Dossier“ bewirbt, welches Trump illegaler Finanzaktionen und kompromittierender sexueller Aktivitäten in Russland beschuldigt. Winers eigenen Aussage zufolge war er seit seiner Zeit bei APCO mit dem ehemaligen britischen Geheimdienstmitarbeiter Christopher Steele befreundet.

 

Zurück im Außenministerium leitete er Steeles Berichte, die offensichtlich aus Kontakten mit freundlichen russischen Geheimdienstmitarbeitern resultierten, regelmäßig an Victoria Nuland, zuständig für russische Angelegenheiten, und an hochrangige Russland-Experten weiter.Darunter auch das berüchtigte „Steele Dossier“. Im September 2016 gab Winers alter Freund Sidney Blumenthal – ein besonders enger Berater von Hillary Clinton – ihm die Notizen eines noch mysteriöseren Clinton-Insiders namens Cody Shearer weiter, in der dieser die schlüpfrigen Anschuldigungen wiederholte.

 

All diese schmutzigen Details wurden in Regierungsbehörden und Mainstream-Medien verbreitet, bevor sie kurz vor Trumps Amtseinführung öffentlich gemacht wurden, um die „Russiagate“-Untersuchung von Robert Mueller zu stimulieren. Das Dossier wurde diskreditiert, doch die Untersuchung geht noch immer weiter.

 

Es scheint also vollkommen in Ordnung, Informationen, die angeblich von „russischen Agenten“ gewonnen wurden, ernst zu nehmen und zu verbreiten, solange diese Trump schaden können. Wie bei so vielem anderen in Washington ist Doppelmoral auch hier die Regel.

 

Jonathan Winer und der Magnitsky Act

Jonathan Winer spielte eine tragende Rolle bei der Verabschiedung des „Sergei Magnitsky Rule of Law Accountability Actof 2012“ (Magnitsky Act) durch den US-Kongress – eine Maßnahme, die die nach dem Ende des Kalten Krieges gehegten Hoffnungen auf eine normale Beziehung zwischen Washington und Moskau endgültig begrub.

 

Der Act basierte auf einer höchst umstrittenen Version des Todes von Sergei Leonidowitsch Magnitsky, eines russischen Wirtschaftsprüfers, der am 16. November 2009 in einem russischen Gefängnis starb. Dem Kongress mitgeteilt wurde diese Version von Hedgefonds-Manager Bill Browder, Enkel von Earl Browder, der von 1934 bis 1945 Vorsitzender der Kommunistischen Partei der USA war. Browder zufolge war Magnitskyi ein Anwalt, der aufgrund seines Kreuzzuges für die Menschenrechte zu Tode geprügelt wurde.

 

Wie jedoch durch den – auf den Index gesetzten – investigativen Dokumentarfilm des regimekritischen russischen Filmemachers Andrei Nekrassow überzeugend aufgezeigt, war der bedauernswerteMagnitsky weder ein Menschenrechtsaktivist noch ein Anwalt noch wurde er zu Tode geprügelt. Er war ein Wirtschaftprüfer, der wegen seiner Rolle bei Browders Geschäften verhaftet wurde und aufgrund unzureichender medizinischer Versorgung eines natürlichen Todes starb. Der Fall wurde von Browder zu einem großen Menschenrechtsdrama aufgebauscht, um die russischen Anschuldigungen gegen Browder selbst zu diskreditieren.

 

Jedenfalls trat der US-Kongress durch die Verabschiedung eines Gesetzes, das Magnitskys angebliche Peiniger bestrafen sollte, als oberster Gerichtshof auf, der über interne russische Rechtsangelegenheiten urteilte.

 

Der Magnitsky Act verurteilt zudem die Strafverfolgung Michail Chodorkowskis. In wesentlich geringerem Umfang hatte auch Browder ein Vermögen gemacht, indem er Russen während der Jelzin-Amtszeit abzockte, und geriet so später in Schwierigkeiten mit russischen Steuereintreibern. Da Browder seine US-Staatsbürgerschaft aufgegeben hatte, um in den USA keine Steuern zahlen zu müssen, hatte er Grund genug, sich vor russischen Bemühungen zu seiner Auslieferung wegen Steuerhinterziehung und anderer finanzieller Vergehen zu fürchten.

 

Es war Jonathan Winer, der eine Lösung für Browders Problem fand.

 

Winer erzählt es folgendermaßen:

 

„Als Browder mich um Rat bat, (…) schlug ich vor, ein neues Gesetz zu schaffen, um Wirtschafts- und Reisesanktionen gegen Menschenrechtsverletzer zu verhängen, die in große Korruptionsaffären verwickelt sind. Browder entschied, dass dies eine gewisse Gerechtigkeit für Magnitsky sichern könnte. Er initiierte eine Kampagne, die zur Verabschiedung des Magnitsky Acts führte und in deren Folge andere Länder ebenfalls ihre eigenen Magnitsky Actsannahmen, darunter Kanada, Estland, Lettland, Litauen und jüngst auch Großbritannien.“

 

Die russischen Behörden bemühen sich noch immer um die Strafverfolgung Browders. Nach dem Treffen mit Trump schlug Wladimir Putin auf seiner Pressekonferenz in Helsinki ein Tauschgeschäft vor: US-Behörden sollten die Erlaubnis erhalten, die in der Mueller-Anklage genannten Russen zu befragen, und russische Behörden im Gegenzug die Erlaubnis, in den Browder-Fall verwickelte Individuen zu befragen, darunter Winer und den ehemaligen US-Botschafter in Moskau, Michael McFaul. Putin bemerkte, dass ein solcher Austausch unter dem Rechtshilfeabkommen möglich sei, das beide Länder 1999 unterzeichnet hatten, als sich die USA während der Jelzin-Amtszeit noch als beste Freunde Russlands darstellten.

 

Doch die naiven Russen haben nicht mit der Gerissenheit US-amerikanischer Anwälte gerechnet.

 

Wie Winer schrieb „kann Russlands Generalstaatsanwalt den US-Generalstaatsanwalt unter diesem Abkommen (…) bitten, dafür zu sorgen, dass US-Bürgern befohlen wird, in einer Strafsache als Zeugen aufzutreten. Doch es gibt eine grundlegende Ausnahme: Der US-Generalstaatsanwalt kann eine solche Unterstützung nicht leisten, wenn es sich um einen politisch motivierten Fall handelt“ (Hervorhebung durch die Autorin).

 

„Ich weiß das“, schrieb er weiter, „da ich unter denen war, die diese Ausnahme eingeführt haben. 1999, als wir das Abkommen mit Russland ausgehandelt haben, war ich der leitende Beamte des Außenministeriums für Strafverfolgungsangelegenheiten zwischen den USA und Russland.“

 

Der oberste Problemlöser könnte also zum besorgten Browder gesagt haben „Kein Problem. Alles, was wir tun müssen, ist, Ihren Fall zu einem politisch motivierten Fall zu machen. Dann sind Sie für die unantastbar.“

 

Winers cleveres Abkommen ist die perfekte Zwickmühle. Es lässt sich nicht auf Fälle anwenden, die politisch motiviert sind, und wenn es sich um russische Fälle handelt, müssen sie politisch motiviert sein.

 

In einer Beschwerde an das Justizministerium vom 15. Juli 2016 beschuldigte Browders Fondsgesellschaft Heritage Capital Management sowohl US-amerikanische als auch russische Gegner des Magnitsky Acts der Verletzung des Foreign Agents Registration Act (FARA – eingeführt 1938 vor dem Hintergrund möglicher Spionage durch die Nazis). Unter den zitierten „Lobbyisten“ war der Anfang dieses Jahres verstorbene Ron Dellums, in dem Beschwerdeschreiben fälschlicherweise als „ehemaliger republikanischer Kongressabgeordneter“ bezeichnet.

 

Das Schreiben des Heritage Capital Management behauptet: „Während Anwälte, die ausländische Auftraggeber vertreten, davon ausgenommen sind, sich unter FARA registrieren zu müssen, trifft dies nur zu, wenn besagte Anwälte nicht versuchen, die Politik zugunsten ihrer Auftraggeber zu beeinflussen.“ Durch die Weitergabe von Material gegen den Magnitsky Act an den Kongress unternimmt jedoch jeder russische Anwalt „den Versuch, die Politik zu beeinflussen“ und verletzt somit die FARA-Registrierungs-Bestimmungen.

 

Und wieder tritt die Zwickmühle in Kraft.

 

Es erübrigt sich, darauf hinzuweisen, dass Chodorkowskis Corbiere Trust massive Lobbyarbeit betrieb, um den Kongress zur Verabschiedung des Magnitsky Acts zu bewegen, der ebenfalls Chodorkowski selbst verteidigte. Diese Art von „russischer Einmischung zur Beeinflussung der Politik“ wird nicht einmal bemerkt, während die US-Behörden den Cyberspace auf der Suche nach Beweisen für Trolle durchkämmen.

 

Fazit

Der grundlegende ideologische Konflikt findet hier zwischen den nach einer unipolaren Welt strebenden USA und einem Russland statt, das sich für eine multipolare Weltordnung einsetzt. Russlands Position, wie Wladimir Putin bei seiner historischen Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2007 klarstellte, ist es, Ländern zu erlauben, nationale Souveränität zu genießen und sich auf ihre eigene Art zu entwickeln. Die derzeitige russische Regierung ist prinzipiell gegen die Einmischung in die Politik anderer Länder. Entsprechend würde es eine US-Regierung bevorzugen, die gewillt ist, eben dies zu erlauben.

 

Im Gegensatz dazu sind die USA prinzipiell für die Einmischung in anderen Staaten: Denn sie streben nach einer unipolaren Welt mit einem einzigen „demokratischen“ System und halten sich selbst für die oberste Autorität in der Frage, welches Regime ein Land haben und wie es seine Angelegenheiten regeln sollte.

 

Würden Russen also versuchen, sich in die Innenpolitik der USA einzumischen, so würden sie damit nicht darauf abzielen, das US-System zu verändern, sondern dieses vom Versuch abzuhalten, in das russische System einzugreifen. Russische Führungskräfte sind kultiviert genug, um zu begreifen, dass historische Vorgänge nicht von kindischen Tricks abhängen, die auf jemandes Computer gespielt werden.

 

Politische Entscheidungsträger in den USA üben sich täglich in Einmischung. Und sie sind absolut gewillt, Russen Einmischung in die US-Politik zu gewähren – solange diese Russen so „unipolar“ sind wie sie selbst, wie etwa Chodorkowski, und nach eben einer solchen unipolaren Welt streben, wie sie vom US-Außenministerium und George Soros gewünscht wird. Tatsächlich stützt sich das US-Imperium auf derartige Einmischung von Irakern, Libyern, Iranern, Russen, Kubanern – all jenen, die nach Washington kommen, um die US-Macht dazu zu bringen, alte Schulden zu begleichen oder die Regierung in ihrem Herkunftsland zu stürzen. All diese Leute sind äußerst willkommen in ihrer Lobbyarbeit für eine Welt, die von den USA beherrscht wird.

 

Russische Einmischung in die US-Politik wird begeistert begrüßt, solange sie die Öffentlichkeit gegen den „multipolaren“ Putin einstimmt, die US-amerikanische Demokratie glorifiziert, US-Interessen einschließlich des militärisch-industriellen Komplexesunterstützt, nationale Grenzen aufzulösen hilft– außer denen der USA und Israels – und die entsprechenden Taschen im Kongress mit Geld füllt.

https://www.rubikon.news/artikel/der-kampf-um-die-neue-weltordnung

 

 

 

Trauerzeremonie für John McCain: Alle haben sich lieb

3.09.2018

https://de.rt.com/1m7z

John McCain ist auf dem Friedhof der Marineakademie in Annapolis beerdigt worden. Dass es aus dem direkten Umfeld McCains keine kritischen Stimmen geben würde, ist verständlich. Das einhellige Lob der Medien und NGOs wie Human Rights Watch irritiert jedoch… Am Freitag hatten führende Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft in der Nationalen Kathedrale in Washington Abschied von McCain genommen. US-Präsident Donald Trump nahm nicht an der Zeremonie teil.

Die New York Times hatte berichtet, McCain habe eine Teilnahme Trumps nicht gewünscht.

Der demokratische Ex-Präsident Barack Obama und sein republikanischer Amtsvorgänger George W. Bush würdigten McCain bei der Trauerfeier.

 

Bush sagte über McCain: „Er war ehrenhaft, stets anerkennend, dass seine Kontrahenten immer noch Patrioten und Menschen waren.“ Bush fügte hinzu: „Im Angesicht der Herrschenden bestand McCain darauf: Wir sind besser als das. Amerika ist besser als das.“ McCain habe „Machtmissbrauch verachtet„.

 

McCains Tochter Meghan McCain sagte bei ihrer emotionalen Rede in Anlehnung an Trumps Wahlparole „Make America Great Again“: „Das Amerika John McCains hat es nicht nötig, wieder groß gemacht zu werden, weil Amerika immer groß war.“ In einer mutmaßlichen Reaktion darauf schrieb Trump am Abend auf Twitter: „MAKE AMERICA GREAT AGAIN!“

 

Es war augenfällig, dass die Trauerfeier für den verstorbenen Politiker auch zu einer Art Treffen der „Resistance“ hochstilisiert wurde. So jedenfalls titelte die US-Journalistin Susan Glasser, die unter anderem New Yorker und Politico schreibt:

 

Henry Kissinger, Dick Cheney, George W. Bush and Joe Lieberman, welcome to the #Resistancepic.twitter.com/z6T3NX2lng

 

— Max Blumenthal (@MaxBlumenthal) 1. September 2018

In der Tat schienen sich plötzlich wieder alle lieb zu haben. Selbst die vormals größten politischen Widersacher unterdrückten ihre Differenzen. Ein Tweet über den offenbar wieder komplett rehabilitierten Ex-Präsidenten George W. Bush, der Michelle Obama während der Beerdigung McCains eine Süßigkeit zusteckte, wurde 93.000-mal retweeted und durch CNN, Huffington Post, USA Today, The Daily Post und CBS als ein „herzerwärmender Moment“ bezeichnet.

 

Swoboda-Aktivisten bei einem Fackellauf in Kiew am 29. Januar 2018.

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Die Washington Post veröffentlichte am 27. August eine Stellungnahme der konservativen Politikerin Jennifer Rubin, die den verstorbenen Senator John McCain für sein „Engagement für „Menschenrechte“ lobte. Rubin erklärte, mit dem Tod McCains sei ein „Verfechter der Menschenrechte“ verloren gegangen, der „der für andere ein Vorbild einer freien Gesellschaft“ gewesen sei. „Abgesehen vom US-Militär sei keine Gruppe McCain mehr schuldig als die Menschenrechtsgemeinschaft.“

 

Weitere Titelzeilen der US-Medien lasen sich wie folgt:

 

„Ayotte: McCain war ein Champion für Menschenrechte“ (CNN, 26.8.18)

 

„John McCain, ein Außenseiter, von dem wir lernen können“ (New York Times, Nicholas Kristof, 25.8.18)

 

„John McCain, Amerikas revolutionäres Gewissen“ (Bloomberg, Eli Lake, 28.8.18)

 

„John McCain, Senator, der die Menschenrechte und Israel in den Mittelpunkt seiner Außenpolitik stellte, stirbt mit 81 Jahren“ (Jewish Telegraphic Agency, 25.8.18).

 

„John McCain der Diplomat wird unersetzlich sein, sagen Senatskollegen“ (Daily Beast, 28.8.18)

 

John McCain während einer Wahlkampfkundgebung in Fayetteville, North Carolina am 28. Oktober 2008.  Er unterlag bei den Präsidentschaftswahlen deutlich Barack Obama.

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Doch ein Lapsus der Washington Post zeigt, dass es durchaus auch Gründe für eine kritischere Würdigung McCains gegeben hätte. Die Washington Post nutzte für ihren Beitrag nämlich ein Titelbild, das McCain neben Oleh Tyahnybok zeigt – einem nationalistischen ukrainischen Politiker mit deutlich rechtsextremer Schlagseite. John McCain traf sich mit Tyahnybok im Jahr 2013, als der US-Senator eine Rede in der Ukraine hielt. Tyahnybok ist seit 2004 Vorsitzender der rechtsextremen „Allukrainischen Vereinigung“ namens Swoboda.

 

Swoboda bezeichnet ihre Parteiideologie in ihren Programmen als „Sozialnationalismus“ und knüpft an das von der Organisation der Ukrainischen Nationalisten (OUN) in den 1930er Jahren formulierte Konzept der „Natiokratie“ an. Der nationalistische Politiker Stepan Bandera und der Anführer der Wehrmachtslegion „Nachtigall“ Roman Schuchewytsch werden von Swoboda als Nationalhelden verehrt.

 

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So wurde in Lemberg auf eine Initiative von Swoboda-Abgeordneten hin die ehemalige „Straße des Friedens“ jetzt nach dem „Bataillon Nachtigall“ benannt. Eine Kampagne der Partei strebt die Namenstaufe des Flughafens Lwiw auf „Stepan Bandera“ an. Bandera wird regelmäßig in Fackelzügen mit mehreren Tausenden Parteianhängern geehrt. Zudem setzt sich die Swoboda-Partei für die Ehrung der 14. Waffen-Grenadier-Division der SS (galizische Nr. 1) ein.

 

Tyahnybok selbst sorgte mehrfach für Eklats. Er behauptete, das die Ukraine von einer „jüdisch-russischen Mafia“ regiert werde und sagte in einer Rede:

 

Ihr seid ukrainische Nationalisten, ukrainische Patrioten! Ihr müsst die Helden werden, die heute die Erde unter unseren Füßen verteidigen! Sie hängten sich Gewehre um den Hals und gingen in die Wälder. Sie kämpften gegen Russen, gegen die Deutschen, gegen Judenschweine und sonstiges Gesindel, welches uns den ukrainischen Staat wegnehmen wollte! Man muss endlich die Ukraine den Ukrainern geben!

 

Der ukrainische Präsident Petro Poroshenko (links) verleiht US-Senator John McCain (rechts) den

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Der deutsche Botschafter musste gar in einem Gespräch mit Tyahnybok im Jahr 2013 extra darauf hinweisen, dass „antisemitische Äußerungen aus deutscher Sicht inakzeptabel seien“. Laut einem Strategiepapier der Friedrich-Ebert-Stiftung vertritt Tjahnybok einen Ethnonationalismus („nation is a union of blood and spirit“) und sieht sich als Wegbereiter einer dritten nationalen Revolution. Andere gehen da deutlich weiter: Im Mai 2013 stufte der Jüdische Weltkongress Swoboda als neonazistisch ein und forderte ein Verbot der Partei.

 

Auch der Einsatz McCains für die illegale US-Invasion im Irak, seine Rolle während des Vietnam-Kriegs sowie seine späteren rassistischen Beleidigungen der Vietnamesen und seine Forderungen nach militärischer Intervention in weit über einem Dutzend Ländern hätten eine Erwähnung verdient. Ganz zu schweigen von McCains Unterstützung für dschihadistische Rebellen in Syrien.

 

Doch nicht nur die Medien blieben in dieser Hinsicht stumm – auch eine der bekannteren Menschenrechtsorganisationen, „Human Rights Watch“, überraschte mit Lob für den US-Politiker. Die Organisation pries McCains „starkes Engagement für die parteiübergreifende Förderung und Verteidigung der Menschenrechte in den Vereinigten Staaten und im Ausland.“

https://deutsch.rt.com/international/75455-trauerzeremonie-fuer-john-mccain-alle-haben-sich-lieb/

 

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