Die offensive Cyber Strategie der USA

von Leonid Savin
02.10.2018

Am 20. September 2018 hat das Weiße Haus die National Cyber Strategy der USA herausgegeben, unterzeichnet von Präsident Donald Trump.

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Hier ist die Strategie des Pentagons in aller Kürze:
„Wir befinden uns in einem langfristigen strategischen Wettbewerb mit China und Russland. Diese Staaten haben diesen Wettbewerb auf anhaltende Kampagnen im und durch den Cyberspace ausgedehnt, die ein langfristiges strategisches Risiko für die Nation sowie für unsere Verbündeten und Partner darstellen.
China erodiert die militärische Überlegenheit der USA und die wirtschaftliche Vitalität der Nation, indem es beharrlich sensible Informationen aus öffentlichen und privaten Institutionen der USA herausfiltert.
Russland hat mit Hilfe von cyberfähigen Informationsoperationen (Anm.d.Ü.: sprich: das Internet) unsere Bevölkerung beeinflusst und unsere demokratischen Prozesse in Frage gestellt.
Andere Akteure, wie Nordkorea und der Iran, haben ebenfalls bösartige Cyber-Aktivitäten eingesetzt, um US-Bürgern zu schaden und die Interessen der USA zu bedrohen. Weltweit nehmen Umfang und Tempo der bösartigen Cyberaktivitäten weiter zu. Die zunehmende Abhängigkeit der Vereinigten Staaten vom Cyberspace-Bereich für fast alle wesentlichen zivilen und militärischen Funktionen macht dies zu einem dringenden und inakzeptablen Risiko für die Nation.“

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Und in der Einleitung zur US National Cyber Strategy steht:
„Russland, Iran und Nordkorea haben rücksichtslose Cyberangriffe durchgeführt, die amerikanischen und internationalen Unternehmen und unseren Verbündeten und Partnern schadeten…
China, das sich an cybergestützter Wirtschaftsspionage und Billionen von Dollar an Diebstahl geistigen Eigentums beteiligte…
Die Regierung erkennt, dass die Vereinigten Staaten in einem ständigen Wettbewerb gegen strategische Gegner, Schurkenstaaten sowie terroristische und kriminelle Netzwerke stehen.
Russland, China, der Iran und Nordkorea nutzen den Cyberspace als Mittel, um die Vereinigten Staaten, ihre Verbündeten und Partner herauszufordern….
Diese Gegner nutzen Cyber-Tools, um unsere Wirtschaft und Demokratie zu untergraben, unser geistiges Eigentum zu stehlen und Zwietracht in unseren demokratischen Prozessen zu stiften.

Wir sind anfällig für Cyberangriffe in Friedenszeiten auf kritische Infrastrukturen, und die Gefahr wächst, dass diese Länder während einer Krise kurz vor dem Krieg Cyberangriffe auf die Vereinigten Staaten durchführen werden. Diese Gegner entwickeln ständig neue und effektivere Cyberwaffen.“

Somit wird Russland auf diese ganz offizielle Art als Feind der USA herausgegriffen!

Und um diese realen und fiktiven Bedrohungen zu bekämpfen, beabsichtigen die Führer der USA, einen Kurs des Risikomanagements einzuschlagen, indem sie neue Informationstechnologien einführen, Prioritäten in Geschäftsprojekten setzen und Regierungsmittel an Unternehmen für Cybersicherheit weiterleiten.

Auf den Seiten 9 und 10 der Strategie gibt es zwei Unterabschnitte, die sich auf die globale Cybersicherheit des Seeverkehrs und des Weltraums beziehen. Da der freie und ungehinderte Zugang zu Meer, Himmel und Weltraum eng mit der wirtschaftlichen und nationalen Sicherheit Amerikas verbunden ist, wird die Kontrolle der USA über diese Bereiche und der Einsatz verschiedener technischer Mittel – von Schiffen bis zu zukünftigen Satellitensystem – als eine der Prioritäten genannt.

Zu den Aufgaben, die aufgezählt werden, gehören auch die Aktualisierung der elektronischen Überwachung, die es den Nachrichtendiensten ermöglichen wird, Datenströme zu überwachen, die Übertragung neuer Befugnisse auf Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden und die Entwicklung neuer Wege zur Verfolgung von Personen außerhalb der Vereinigten Staaten (d.h. Bürgern im Ausland) sowie andere aktive Maßnahmen:

„Alle Instrumente der nationalen Macht stehen zur Verfügung, um böswillige Cyberaktivitäten gegen die Vereinigten Staaten zu verhindern, darauf zu reagieren und sie abzuschrecken. Dazu gehören diplomatische, informationelle, militärische (sowohl kinetische als auch Cyber-), finanzielle, nachrichtendienstliche, öffentliche Zuordnungen und Strafverfolgungsmöglichkeiten.“

Mit anderen Worten, die Reaktionen auf einen Cyberattack können jetzt die Verhängung von Sanktionen, die Koordination einer Propagandakampagne in den Marionettenmedien oder einen Raketenstart beinhalten.

Auf einer Pressekonferenz in Washington stellte der Nationale Sicherheitsberater des US-Präsidenten, John Bolton, ausdrücklich fest, dass das Weiße Haus „offensive Cyberoperationen genehmigt hat…. nicht weil wir offensivere Operationen im Cyberspace wollen, sondern gerade um jene Abschreckungsstrukturen zu schaffen, die den Gegnern zeigen, dass die Kosten für ihr Engagement bei Operationen gegen uns höher sind als sie ertragen wollen“.

Historisch gesehen ist Amerikas Einmischung in die Angelegenheiten anderer Länder zur geopolitischen (und militärischen) Abschreckung jedoch weit verbreitet, einschließlich der Orchestrierung blutiger Putsche und offener Interventionen mit künstlichen Vorwänden (Haiti 1993 fällt mir ein), genau die Art und Weise, wie die USA agieren.

Durch die Verlagerung dieser Taktiken in den Cyberspace können wir davon ausgehen, dass DDoS-Angriffe und die Einführung von Schadsoftware und Spyware sowie eine Vielzahl von Angriffen auf anfällige „feindliche“ Standorte (und das könnten alles sein, von den Servern der Banken und der Mobilfunkanbieter bis hin zu Datenbanken von Privatpersonen, der Fertigungsinfrastruktur oder verschiedenen Systemen, die wesentliche soziale Dienste bereitstellen), das Mindeste ist, was wir vom Pentagon erwarten können.

Es ist möglich, dass es einigen wenigen Ländern mit entsprechender Erfahrung in der Cybersicherheit gelingt, solche Angriffe abzuwehren. Aber es ist mehr als wahrscheinlich, dass einige Staaten nicht in der Lage sein werden, sie effektiv und schmerzlos abzuwehren.

Und sogar eine kinetische Reaktion wird erwähnt! Und das ist nur ein militärisches Vorrecht. Deshalb zitieren wir einen Auszug aus der Strategie des US-Verteidigungsministeriums. Das Dokument des Pentagons legt klar dar, wie diese Strategie umgesetzt werden soll.

„Unser strategischer Ansatz basiert auf sich gegenseitig verstärkenden Anstrengungen, um eine tödlichere Kraft aufzubauen, im Cyberspace zu konkurrieren und abzuschrecken, Allianzen und Partnerschaften auszuweiten, das Ministerium zu reformieren und Talente zu fördern.“
Der erste Punkt bezeugt offen diese aggressiven militärischen Absichten: „Unser Fokus wird auf Einsatzmöglichkeiten liegen, die skalierbar, anpassungsfähig und vielfältig sind, um den Kommandeuren der Streitkräfte maximale Flexibilität zu bieten. Die Joint Force wird in der Lage sein, Cyberspace-Operationen im gesamten Konfliktspektrum einzusetzen, von der Alltagsoperation bis zum Krieg, um die Interessen der USA zu vertreten.“

Vereinfacht ausgedrückt, erhält das US-Militär jetzt buchstäblich grünes Licht, um Cyberangriffe und andere Cyberoperationen auf der ganzen Welt zu starten.

Man kann sogar jede formelle Kriegserklärung vergessen, denn das ist in den USA ein recht komplexes Verfahren, und seit vielen Jahren werden amerikanische Soldaten im Rahmen von Militäroperationen, die die Kriterien für Kriegs- und Stabilisierungskampagnen offiziell nicht erfüllen, an verschiedene Ziele im Ausland geschickt.

Aber die USA sind zu allen möglichen juristischen Spielereien bereit. Und da es keine klare Definition dessen gibt, was unter „bösartigen Handlungen im Cyberspace“ zu verstehen ist, und da dieses Etikett somit dazu benutzt werden könnte, irgendjemanden oder irgendetwas zu fangen, könnte dieser Trend im militärischen und politischen Establishment der USA einen ernüchternden Präzedenzfall schaffen.

Darüber hinaus ist dies ein klares Signal für Washington, Druck durch internationale Organisationen, vor allem durch die UNO, auszuüben. Da die Vereinten Nationen seit vielen Jahren als Plattform für Debatten über die Regulierung des globalen Cyberspace dienen, und die USA in zahlreichen hochrangigen Diskussionen über nationale Gerichtsbarkeit, Souveränität und Verantwortung eindeutig auf der Verliererseite stehen, scheint Washington zu versuchen, sich zu rächen – jetzt greifen sie auf Anschuldigungen und die Techniken der präventiven Diplomatie zurück (d.h. Drohungen und Erpressung – die bewährten Instrumente der US-Außenpolitik).

In diesem Zusammenhang ist es kein Zufall, dass die Website zur Global Security einen Punkt aus dieser Strategie hervorgehoben hat, der lautet:
„DEN AMERIKANISCHEN EINFLUSS VORANTREIBEN. Die nationale Cyberstrategie wird die langfristige Offenheit jenes Internets (sic!) bewahren, das die amerikanischen Interessen unterstützt und stärkt.“

Aber wie kann die Offenheit des Internets die Interessen der USA fördern? Das kann natürlich nur geschehen, wenn die Amerikaner die Spielregeln im Cyberspace festlegen, so wie sie, die USA, die Spielregeln festgelegt haben, die den Welthandel durch die amerikanische Kontrolle über Banktransaktionen, Börsen und andere Instrumente der globalisierten Wirtschaft regeln.

Und wenn sich einige Länder weigern, den Anweisungen Washingtons zu folgen, werden sie wieder einmal als Aussätzige bezeichnet und beschuldigt, böswillig gehandelt zu haben.

Die Weigerung, US-Standards zu übernehmen, wird als Kriegshandlung mit anderen Mitteln gegen amerikanische Bürger eingestuft. Das ist so ernst wie die Aussage von George W. Bush nach den Terroranschlägen in New York im September 2001, als er erklärte: „Wer nicht für uns ist, der ist gegen uns“.

Und unbegründete Behauptungen über die Einmischung „russischer Hacker“ in die US-Präsidentschaftswahlen und über Chinas Industriespionage gegen amerikanische Unternehmen könnten eines Tages wie ein naives Beispiel für viel Lärm um nichts aussehen, verglichen mit dem, was sich Washington jetzt vornimmt.
https://www.theblogcat.de/uebersetzungen/national-cyber-strategy/

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